Als Fantasy-Autorin beschäftige ich mich oft mit der Frage: Woher kommen eigentlich unsere Vorstellungen von Hexenverfolgung? Wann begann die Hexenverfolgung? Warum denken wir sofort an brennende Scheiterhaufen, finstere Inquisitoren und hilflose Frauen?
Die Antwort führt uns zurück ins Jahr 1484 – zu einem Dokument, das die Welt für immer veränderte.
Die Hexenbulle: Der Wendepunkt der Geschichte
Am 5. Dezember 1484 unterzeichnete Papst Innozenz VIII. die Bulle “Summis desiderantes affectibus” – besser bekannt als die Hexenbulle. Dieser Text von wenigen Seiten löste eine der dunkelsten Perioden der europäischen Geschichte aus.
Aber was war vorher?
Interessant ist, was die Hexenbulle nicht war: Sie war nicht der Beginn des Glaubens an Magie oder Hexerei. Menschen hatten schon immer an übernatürliche Kräfte geglaubt. Auch Schadenszauber und weise Frauen gab es seit Jahrhunderten.
Der entscheidende Unterschied: Vorher waren die kirchlichen Meinungen geteilt. Manche Theologen zweifelten sogar daran, ob Hexerei überhaupt real sei. Es gab lokale Verfolgungen, aber keine einheitliche, systematische Kampagne. Also: Wann begann die Hexenverfolgung?
Von Zweifel zur Gewissheit

Die Hexenbulle änderte das fundamental. Sie erklärte offiziell, dass:
- Hexerei real und extrem gefährlich sei
- Die Inquisition den Auftrag habe, systematisch zu verfolgen
- Alle katholischen Länder verpflichtet seien, zu kooperieren
Das war der Unterschied zwischen geduldetem und gefördertem Vorgehen.
Zwei Jahre später folgte der “Malleus Maleficarum” (1486/1487) – der berüchtigte “Hexenhammer” von Heinrich Kramer. Dieses Handbuch lieferte die praktische Anleitung zur Identifizierung, Verhörung und Hinrichtung vermeintlicher Hexen.
Die Macht der Institutionen
Was uns diese Geschichte lehrt: Institutionelle Macht kann Verfolgung systematisieren. Einzelne fanatische Kleriker gab es schon immer. Aber erst als die höchste kirchliche Autorität die Verfolgung zur heiligen Pflicht erklärte, wurde aus sporadischer Gewalt ein jahrhundertelanges System des Terrors.
Was das für Fantasy bedeutet
Als Autorin fasziniert mich, wie diese historischen Mechanismen in Fantasy-Welten funktionieren. In vielen Geschichten – auch in meiner eigenen Urban Fantasy-Serie – geht es nicht nur um Magie, sondern um Machtstrukturen, Propaganda und die Frage: Wer entscheidet, was als “gefährlich” gilt?
Die Hexenverfolgung zeigt uns etwas Erschreckendes: Wie schnell sich gesellschaftliche Normen ändern können, wenn die richtigen Institutionen die richtige Botschaft verbreiten. Aus “Manche glauben an Hexerei” wurde binnen weniger Jahre “Hexenjagd ist Bürgerpflicht”.

In meiner Fantasy-Welt sind es die Umbrae – eine uralte Gruppierung, die seit Jahrhunderten im Schatten der Macht agiert. Sie haben die Hexenverfolgung nicht nur unterstützt, sondern systematisch orchestriert. Während die Öffentlichkeit glaubte, religiöse Eiferer hätten die Verfolgung angetrieben, waren es in Wahrheit kaltblütige Strategen, die ein perfektes System der Kontrolle erschufen.
Das Perfide: Die Umbrae schufen das Problem, gegen das sie sich dann als Lösung präsentierten. Sie schürten die Angst vor “gefährlichen Hexen” und boten sich gleichzeitig als “Beschützer der Menschheit” an. Ein System, das so effektiv war, dass es jahrhundertelang funktionierte – und in abgewandelter Form bis heute wirkt.
Parallelen zur Gegenwart

Diese Muster erkennen wir auch heute: Sündenböcke werden gesucht, Ängste geschürt, Autoritäten missbraucht. Fantasy-Literatur kann uns helfen, diese Mechanismen zu verstehen – gerade weil sie sie in einer sicheren, fiktionalen Umgebung zeigt.
Die Geschichte lehrt uns: Aufklärung und kritisches Denken sind unsere besten Waffen gegen irrationale Verfolgung. Damals wie heute.
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