Wo Benigna Schultzen 12 Jahre um ihr Leben kämpfte

Von außen wirkt die Burg Penzlin in der mecklenburgischen Seenplatte fast unscheinbar – ein einfaches Backsteingebäude, umgeben von sanften Hügeln und stillen Seen. Aber schon nach den ersten Schritten spürte ich: Hier wartet eine Geschichte, die erzählt werden will.

„Manchmal braucht es nur einen Ort, um zu verstehen, wie dünn die Grenze zwischen Leben und Tod sein kann.“

Ein Ort mit zwei Gesichtern

Die Alte Burg Penzlin ist ein Ort der Gegensätze. Oben der lichtdurchflutete Rittersaal mit seinem gotischen Kreuzgewölbe, wo heute Hochzeiten gefeiert werden. Die beeindruckende Schwarzküche mit ihrem 12 Meter hohen Rauchfang, in der einst das Feuer prasselte. Und dann – sieben Meter tiefer – die Dunkelheit.

Als ich die ersten Stufen in den Keller hinabstieg, wurde die Luft kühler. Hier unten befindet sich etwas Einzigartiges: das letzte erhaltene frühneuzeitliche „Hexen“-Verlies Europas. Ein Gefängnis, das exakt nach den grausamen Regeln des „Hexenhammers“ gebaut wurde und bis heute in seinem ursprünglichen Zustand erhalten ist.

Die Stille in diesen Räumen ist bedrückend. Hier schrieen Menschen um Hilfe, und niemand konnte sie hören.

Benigna Schultzen – Ein Name, der nicht vergessen werden darf

Von allen Geschichten, die diese Mauern bewahren, bewegt mich eine besonders: die von Benigna Schultzen. Ihr Schicksal zeigt die ganze Absurdität und Grausamkeit der Hexenverfolgung.

1699 wurde sie der Hexerei beschuldigt. Was folgte, war einer der längsten Hexenprozesse der Geschichte – zwölf Jahre zog sich ihr Martyrium hin. Zwölf Jahre zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Folter und kurzen Momenten des Aufatmens, wenn wieder ein Revisionsverfahren anstand. Als der Prozess begann, war Benigna noch jung. Als er endete, hatte sie die Hälfte ihres Lebens in diesem Verlies verbracht. Die Welt draußen hatte sich verändert, ihre Familie gealtert, das Leben war weitergegangen – nur für sie stand die Zeit still.

Mecklenburg – Land der Hexenprozesse

Mecklenburg war einer der Brennpunkte der Hexenverfolgung in Deutschland. Fast 4.000 Prozesse sind dokumentiert – eine erschreckend hohe Zahl für die geringe Bevölkerungsdichte der Region. Deutschlandweit fielen schätzungsweise 60.000 Menschen dieser Hysterie zum Opfer. Von 1336 bis 1777 wurden hier Menschen gejagt, gefoltert und hingerichtet.

Das Museum in der Burg zeigt diese Geschichte mit einer Mischung aus wissenschaftlicher Genauigkeit und menschlicher Empathie. Man erfährt nicht nur Zahlen und Daten, sondern bekommt ein Gefühl dafür, wie es gewesen sein muss, in dieser Zeit zu leben. Immer mit der Angst, dass ein falsches Wort, ein ungeschickter Blick, eine Nachbarin mit einem Groll das Todesurteil bedeuten könnte.

Der Kräutergarten – Wo Heilung zum Verhängnis wurde

Was mich besonders berührt hat, ist der kleine Kräutergarten im Burghof. Hier wachsen all die Pflanzen, die einst als „Hexenkräuter“ galten: Salbei, Beifuß, Rosmarin, Lavendel. Pflanzen, die Frauen seit Jahrhunderten zur Heilung verwendeten und die ihnen zum Verhängnis wurden.

Ich stand zwischen diesen Kräutern und dachte: Wie viele weise Frauen sind gestorben, weil sie wussten, welche Pflanze gegen Kopfschmerzen hilft? Weil sie einer Nachbarin bei der Geburt halfen? Weil sie die Geheimnisse der Natur kannten, die anderen fremd und unheimlich erschienen?

Heute stehen dieselben Kräuter in jedem Garten. Damals konnten sie ein Todesurteil bedeuten.

Ein Ort zum Nachdenken

Die Alte Burg Penzlin ist mehr als ein Museum – sie ist ein Mahnmal. Ein Ort, der uns daran erinnert, wozu Angst, Unwissen und Fanatismus führen können. Aber auch ein Ort, der die Stärke und den Mut derjenigen ehrt, die trotz aller Verfolgung an ihrem Wissen und ihren Überzeugungen festhielten.

Als Autorin, die über starke Hexenfrauen schreibt, trage ich ein Stück von Benigna Schultzens Geschichte in mir. Ihre Geschichte und die aller anderen namenlosen Frauen, die hier litten. Sie leben in meinen Romanen weiter – als Erinnerung und als Inspiration für alle, die heute den Mut haben, ihren eigenen Weg zu gehen.

Praktische Informationen

Adresse: Alte Burg 1, 17217 Penzlin
Öffnungszeiten:
– Mai bis August: täglich 10-18 Uhr
– April, September, Oktober: täglich 10-17 Uhr
– November bis März: Sa-So 13-16:30 Uhr

Besondere Ereignisse:
– Walpurgisnacht am 30. April
– Burgfest am vorletzten Augustwochenende

Eintritt: Erwachsene 5€, ermäßigt 3,50€, Kinder bis 6 Jahre frei

Hinweis: Das Museum ist aufgrund der historischen Bausubstanz leider nicht barrierefrei.


Warst du schon einmal in der Alten Burg Penzlin? Welche Geschichten haben dich am meisten bewegt? Erzähl mir davon in den Kommentaren – ich sammle diese Erfahrungen wie kostbare Schätze.

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